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der Kanzlei adam+adams

Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte.


Die Revision der Klägerin hatte vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte. Dies ist der Klägerin nicht gelungen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Vernehmung der die Klägerin behandelnden Ärzte umfassend Beweis erhoben. Danach konnte nicht festgestellt werden, dass ein einheitlicher Verhinderungsfall nicht vorlag. Das gilt umso mehr als nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Untersuchung der Klägerin durch den behandelnden Arzt bei der Feststellung der bis einschließlich 18. Mai 2017 attestierten Arbeitsunfähigkeit nicht erfolgte.


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2019 - 5 AZR 505/18 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 26. September 2018 - 7 Sa 336/18 -


Pressemitteilung des BAG Nr. 5 v. 23.1.2020

Eine Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freitzeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur dann, wenn in dem Vergleich hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass mit der Freistellung auch ein Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden soll. Dem genügt die Klausel, der Arbeitnehmer werde unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt, nicht.


Zum Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Kündigungsschutzprozess am 15.11.2016 einen gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 31.1.2017 endete. Bis dahin stellte die Beklagte die Klägerin unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung frei. In diesem Zeitraum sollte auch der Resturlaub eingebracht sein. Eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel enthält der Vergleich nicht. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin die Abgeltung von 67,10 Gutstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto mit 1.317,28 Euro brutto nebst Zinsen verlangt. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.

Die vom BAG zugelassene Revision der Klägerin war erfolgreich und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Endet das Arbeitsverhältnis und können Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden, sind sie vom Arbeitgeber in Geld abzugelten. Die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht in einem gerichtlichen Vergleich ist nur dann geeignet, den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau von Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu erfüllen, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich von der Arbeitspflicht freistellen will. Daran fehlte es vorliegend. In dem gerichtlichen Vergleich ist weder ausdrücklich noch konkludent hinreichend deutlich festgehalten, dass die Freistellung auch dem Abbau des Arbeitszeitkontos dienen bzw. mit ihr der Freizeitausgleichsanspruch aus dem Arbeitszeitkonto erfüllt sein soll.


BAG, Urt. v. 20.11.2019 - 5 AZR 578/18 


Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 40 v. 20.11.2019

  • AutorenbildRA Florian Adams

Aktualisiert: 21. Nov. 2019

Ein Alkoholkater stellt eine Krankheit dar. Werbeaussagen, wonach ein Nahrungsergänzungsmittel einem Alkoholkater vorbeugen bzw. seine Folgen mindern soll, verstoßen damit gegen das Verbot, Lebensmitteln krankheitsbezogene Eigenschaften zuzuweisen, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil.


Ein Alkoholkater stellt eine Krankheit dar. Werbeaussagen, wonach ein Nahrungsergänzungsmittel einem Alkoholkater vorbeugen bzw. seine Folgen mindern soll, verstoßen damit gegen das Verbot, Lebensmitteln krankheitsbezogene Eigenschaften zuzuweisen, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil. Nr. 55/2019


Die Beklagte vertreibt und bewirbt zwei Nahrungsergänzungsmittel, deren Verzehr dem Entstehen eines Katers nach Alkoholkonsum vorbeugen bzw. die Wirkungen des Katers lindern soll. Die Produkte sind in Form eines pulverförmigen Sticks („Drink“) und einer trinkfähigen Mischung („Shot“) erhältlich. Sie werden von der Beklagten umfangreich beworben, unter anderem mit den Aussagen: „Anti Hangover Drink“ bzw. „Anti Hangover Shot“, „Natürlich bei Kater“, „Mit unserem Anti-Hangover-Drink führst Du Deinem Körper natürliche, antioxidative Pflanzenextrakte, Elektrolyte und Vitamine zu“. Der Kläger ist ein Verein, zu dessen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung der Regel des unlauteren Wettbewerbs gehört. Er wendet sich gegen zahlreiche Werbeaussagen der Beklagten. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hat auch vor dem OLG keinen Erfolg. „Informationen über ein Lebensmittel dürfen diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaft entstehen lassen“, betont das OLG unter Verweis auf Vorgaben der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Eine Aussage sei krankheitsbezogen, wenn sie direkt oder indirekt den Eindruck vermittele, dass das beworbene Lebensmittel zur Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer Krankheit beitrage. Hier suggerierten die untersagten Aussagen den „angesprochenen Verkehrskreisen, bei denen es sich vornehmlich um junge Verbraucher handelt, die beim Feiern Alkohol konsumieren, das beworbene Produkt sei zur Behandlung der Symptome eines Alkoholkaters geeignet bzw. könne einem Kater vorbeugen.“ Bei einem „Kater“ bzw. „Hangover“ handele es sich auch um eine Krankheit. Im Interesse eines möglichst wirksamen Gesundheitsschutzes sei der Begriff weit auszulegen. „Unter Krankheit ist jede, also auch eine geringfügige oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers zu verstehen“, fasst das OLG zusammen und konkretisiert „auch eine nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit, die geheilt, dass es beseitigt oder gemindert werden kann und die nicht nur eine normale Schwankung der Leistungsfähigkeit darstellt, rechnet zum Begriff der Krankheit“. So seien Kopfschmerzen eine Krankheit, nicht aber natürliche physiologische Zustände. Hier werde der Kater mit Symptomen wie Müdigkeit, Übelkeit und Kopfschmerz beschrieben. Derartige Symptome lägen außerhalb der natürlichen Schwankungsbreite des menschlichen Körpers. „Sie treten nicht als Folge des natürlichen „Auf und Ab“ des Körpers, sondern infolge des Konsum von Alkohol, einer schädlichen Substanz, ein“, begründet das OLG. Nicht maßgeblich sei, dass die Symptome regelmäßig von selbst verschwinden und keiner ärztlichen Behandlung bedürften. Die von der Beklagten vorgelegten Gutachten bestätigten die Einschätzung, dass es sich beim Kater um eine Krankheit handele. Dafür spreche bereits, dass es für den Kater einen medizinischen Fachbegriff, nämlich „Veisalgia“, gebe. Die Beklagte könne sich auch nicht drauf berufen, dass ihre Werbung eine zulässige gesundheitsbezogene Angabe in Form eines nach dem Anhang der Health Claim-VO (HCVO) genehmigten Claims darstelle. Der von ihr in Bezug genommene Claim habe mit der hier geschilderten Katersymptomatik nichts zu tun.


Quelle: 23.09.2019 Pressestelle: OLG Frankfurt am Main

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.9.2019, Az. 6 U 114/18 (vorausgehend Landgericht, Urteil vom 8.6.2018, Az. 3/10 O 67/17)

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